Route für Historiker*innen

Parken Sie Ihr Auto im Parkhaus Bertha-Benz-Halle in Pforzheim und machen Sie einen kurzen Spaziergang zum Reuchlinhaus. Ihr Weg führt durch die nach dem Zweiten Weltkrieg neu konzipierte Innenstadt, die als eines der modernsten wiederaufgebauten Stadtgebiete Deutschlands gilt. Machen Sie einen kurzen Abstecher zum Neuen Rathaus aus dem Jahr 1973, einer von Brutalismus-Enthusiasten geschätzten "Betonperle". Ein überzeugendes Team betreibt das Café im Schmuckmuseum mit schöner Terrasse vor dem 1961 erbauten Kulturzentrum Lehmbrucks, das heute noch das Schmuckmuseum und den Kunstverein Pforzheim beherbergt. Hier sollten Sie zu Mittag essen.

Mit Ihren Ornamenta-Tickets können Sie als nächstes einen einzigartigen Teil des Untergeschosses und des Innenhofs des Gebäudes im internationalen Stil besuchen. Hier sind die beiden Ornamenta-Ausstellungen "Solartal: über Sonnen, Schatten und Lebensfreude" und "Inhalatorium: über Filz und Rauch” zu Gast. Im Erdgeschoss befindet sich der älteste Kunstverein der Region Nordschwarzwald, der Kunstverein Pforzheim, der mit einer Ausstellung auf das Thema der Ornamenta reagiert. Auch das Schmuckmuseum Pforzheim gestaltet seine Archivpräsentationen während des Sommers der ORNAMENTA 2024 thematisch neu.

Achten Sie auf dem Rückweg zu Ihrem Parkplatz darauf, wie viel Platz in der Nachkriegsstadt für motorisierte Fahrzeuge zur Verfügung gestellt wurde. Entdecken Sie historische Gebäude, restaurierte Kirchen und andere Gebäude der Nachkriegszeit. Auf Ihrer Fahrt Richtung Mühlacker kommen Sie an der Baustelle der Ziegelhöhe vorbei, die auf dem Gelände eines ehemaligen Dachziegelwerkes entsteht. Hier können Sie in der Nähe der großen Supermärkte kurz Ihr Auto abstellen. Zwischen dem Industriegebiet und angrenzenden Grünflächen befindet sich das "Inverted Paradise", ein öffentliches Kunstwerk aus gefundenen Fragmenten, das vom Künstlerkollektiv Spazio Cura anlässlich der Ornamenta 2024 zum Thema "Schmutzige Ecke" entwickelt wurde.

Sie fahren weiter durch den Enzkreis im Nordschwarzwald, schlängeln sich durch die typische baden-württembergische Landschaft und erreichen die Stadt Maulbronn, wo Sie in unmittelbarer Nähe des Haupttores des historischen Klosters parken können. Nach einem Spaziergang über den Platz und durch die kleinen Gassen der besterhaltenen mittelalterlichen Klosteranlage Europas finden Sie einen Tisch im Restaurant Kloster Katz direkt vor dem großen Kloster. Wenn Sie Ihre Reise früh genug planen, können Sie sich sogar eines der darüber liegenden Appartements, Klosterhof 21, sichern. Eine ganze Nacht lang können Sie dann den Blick auf eine Vielzahl von Baustilen von der Romanik bis zur Spätgotik an einem Ort genießen, denn Ihr Schlafzimmerfenster blickt auf das Unesco-Kulturerbe. Im Sommer ist hier viel los, daher können wir auch das Hotel-Restaurant Zum Nachtwächter in traditioneller Fachwerkarchitektur empfehlen, das nur fünf Autominuten entfernt im Dorf Lienzingen liegt.

Nach dem Hotelfrühstück, der Bäckerei oder dem Klostercafe Maulbronn und machen Sie sich auf den Weg zur Kasse des Klosters, falls Sie noch keine Online-Eintrittskarten besorgt haben. Ab halb zehn sind das Mönchs- und das Laienrefektorium sowie der Innenhof mit den ornamentierten Decken und anderen beeindruckenden Sakralräumen geöffnet und einen Morgenspaziergang wert. Für einen langsamen Start in den Tag können Sie eine Audioführung mitnehmen und mehr über die Geschichte erfahren. Die Gründung des Klosters geht auf das Jahr 1147 zurück, aber Sie werden die Um- und Ausbauten erleben, die es erfahren hat. Die Gebäudeteile aus dem zwölften Jahrhundert sind noch zu erkennen, der spezifische Stil, der sogenannte "Hirsauer Stil", stammt aus Schwaben und zeichnet sich durch einheitliche Säulen und die rechteckigen Rahmen um die romanischen Bögen aus. Dass das Kloster als Ganzes die Zeit überdauerte, ist vor allem den Herzögen von Württemberg zu verdanken.

Steigen Sie wieder ins Auto und besuchen Sie als nächstes die Matthäuskirche in Pforzheim-Arlinger. In der Nähe des Gebäudes, hinter der Bushaltestelle Höhenstraße, finden Sie einen Parkplatz. Im Innern dieses Wahrzeichens der Nachkriegszeit und Vorzeigeexemplar des zirkulären Bauens, das aus sortiertem und wiederverwendetem Bauschutt besteht, befindet sich die Ornamenta-Ausstellung "Schmutzige Ecke: eine Ausstellung über Kreisläufe, Nüchternheit und Schutt". Während des größten Teils der Menschheitsgeschichte war die Nutzung von Abfällen die Norm. Im frühen neunzehnten Jahrhundert war die Wiederverwertung von Materialien wie Papier, Lumpen und Knochen sowohl für Unternehmen als auch für Haushalte wichtig. Auch in der jüngsten Zeit beschäftigen wir uns intensiver mit der Rückgewinnung von "Abfall” indem wir soziokulturelle Werte in die künftige Programmierung historischer Architektur einbeziehen und mit der zeitgenössischen Wiederverwendung von Materialien neue Wege beschreiten. In einer Gesellschaft die ansonsten auf bildschirmfixierte Individuen konzentriert ist, erfährt die körperliche Arbeit neue Wertschätzung. Für die Ausstellung der "Schmutzige Ecke" der Ornamenta wird das Eiermann-Kirchengebäude zu einem Ort umgestaltet, an dem Ideen und Menschen zusammenkommen, um über Tabus und die Neuerfindung des Erbes zu sprechen, mit dem gemeinsamen Ziel, den Weg zu einer gleichberechtigten Gesellschaft zu ebnen und den Kanon unserer gebauten Umwelt zu diversifizieren. Der Architekt Egon Eiermann hat einmal provokant gesagt: "Eine Kirche ist genauso ein Zweckbau wie eine Bedürfnisanstalt", und damit einen progressiven Pragmatismus zum Ausdruck gebracht. In diesem Sinne zeigt die Ausstellung "Schmutzige Ecke" Projekte und Arbeiten von unterschiedlichen Kreativen.

Auf der Fahrt von Pforzheim-Arlinger nach Bad Wildbad sollten Sie einen Zwischenstopp beim Schloss Neuenbürg einlegen, wo das Schwarzwaldmärchen 'Das Kalte Herz' des schwäbischen Dichters Wilhelm Hauff (1802-1827) in einer interaktiven Ausstellung präsentiert wird. Bitte beachten Sie, dass es oben am Schloss nur begrenzte Parkmöglichkeiten gibt, weitere gut ausgeschilderte Plätze finden Sie unten im Ort. Genießen Sie den Blick vom Schloss auf das Dorf Neuenbürg mit seiner markanten Pektinfabrik, die im Juli mit einem Künstlergespräch auch Teil des Lust-Programms der Ornamenta ist.

Seit Jahrhunderten hat sich in Deutschland mit dem Konzept der "Kur" ein ganzheitlicher Ansatz zur Heilung etabliert, bei dem der Aufenthalt in der Natur, die Nutzung von Thermalwasser und frischer Luft im Vordergrund steht. Entlang der heißen Quellen und Mineralwasserbrunnen entstanden Ansiedlungen, aus denen die berühmten Kurorte des Nordschwarzwalds hervorgingen. In der Ornamenta-Ausstellung "Bad Databrunn: eine Ausstellung über Blasen, Regenbögen und Digital Detox" wird ein ehemaliges Badehaus umgenutzt, um den Besuchern einen zeitgemäßen Umgang mit physischem und digitalem Stress vorzustellen. Die ornamentalen Wände des Wellnessgebäudes König-Karls-Bad bilden die Kulisse für eine Auszeit von der ständigen Erreichbarkeit. Um dorthin zu gelangen, fährt man von Neuenbürg weiter nach Bad Wildbad und parkt beim Parkhaus Kurzentrum oder Parkhaus Palais Thermal. Von dort aus sind es nur wenige Gehminuten bis zum Kurpark, wo Sie auch mehrere Einkehrmöglichkeiten für eine kurze oder längere Pause finden. Empfehlenswert sind das Restaurant Cafe Bar Melange und Foxy Bräu - Restaurant & Brauerei.

Um den Tag abzurunden, besuchen Sie die Stadt Nagold, wo Sie im Zeller-Mörike-Garten die öffentliche Installation "Aphrodisierender Garten" der Ornamenta finden, einen neuer und inklusiven Lustgarten. Er zelebriert die Vielzahl geschlechtlicher Liebe und bietet einen Raum, um marginalisierte oder weniger bekannte Formen der Intimität zu würdigen. Der historische Apothekergarten in der Stadt Nagold umfasst nun sechs thematische Kräuterbeete. Diese Beete behandeln Themen wie sexuelle Booster, Liebestränke, Orgasmen und Gynäkologie. Die französische Landschaftsarchitektin Céline Baumann hat sie in Zusammenarbeit mit der regionalen gemeinnützigen Initiative Q-Prints & Service Pforzheim angelegt, um neue Einblicke in die Vorstellungen von Intimität, Pflanzenkunde und Gesundheit zu geben. Der Deutsche Naturheilbund unterstützte die Gruppe bei der Zusammenstellung einer Liste der erregenden Kräuter und Pflanzen sowie ihrer Anwendungen. Im Garten gibt es außerdem den neuen "Green Room", einen von Hecken gebildeten labyrinth-artigen Raum, der als Bühne für sinnliche Begegnungen und spielerische Verführung dient. Diskrete Eingriffe in die Bepflanzung, wie zum Beispiel unterschiedlich große Löcher, laden Besucher*innen zum Voyeurismus ein. Der "Aphrodisierende Garten" ist ein Ort, an dem einsame Wanderer ihr inneres Verlangen stillen können. Anlässlich der Ornamenta steht er der Öffentlichkeit zur Verfügung und kann für Veranstaltungen wie Hochzeiten und Picknicks, aber auch für Performances, Abendessen und queere Filmabende genutzt werden.

Fahren Sie zum Traditionshotel Palmenwald Schwarzwaldhof in Freudenstadt oder suchen Sie sich ein nahegelegenes Lokal in der Stadt für eine Mahlzeit und Übernachtung in einem ehemaligen Luftkurort. Im Gegensatz zu Pforzheim wurde die Stadt Freudenstadt nach dem Zweiten Weltkrieg so weit wie möglich in ihrer traditionellen Form wiederhergestellt. Bei einem abendlichen Spaziergang sollten Sie unbedingt an dem großen zentralen Platz vorbeikommen, auf dem eine bronzene Venus-Skulptur aus dem Jahr 1954 steht. Sie wurde zur Erinnerung an die Zerstörung und den Wiederaufbau von Freudenstadt geschaffen. Sie wird auch "Hypotheken-Venus" genannt, weil der Wiederaufbau der Stadt mit einer hohen Verschuldung verbunden war. Die Figur greift mit der einen Hand in eine bessere Zukunft, während sie mit der anderen Hand die Übel der Vergangenheit wegschiebt. Gehen Sie rechtzeitig zu Bett, damit Sie am letzten Morgen der historischen Route früh aufstehen können.

Brechen Sie frisch und ausgeruht nach einem kleinen Frühstück oder Kaffee auf, um nach Pforzheim zu fahren. Hier begegnen Sie einem öffentliches Kunstwerk, das speziell für die Ornamenta entwickelt wurde und nur bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang aktiviert wird. Parken Sie Ihr Auto am Parkhotel Pforzheim und überqueren Sie die Straße in Richtung der Enz, um den Regenbogen unter einem klaren, sonnigen Himmel zu sehen. Auf einem Pfahl am Flussufer sitzt eine Bronzeskulptur, die in die ehemalige Goldstadt Pforzheim blickt und an einen Teenager mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze oder an eine Waldelfe erinnert. Zur richtigen Zeit und bei entsprechendem natürlichem Sonnenlicht stößt die Skulptur einen Nebel aus, der einen temporären künstlichen Regenbogen erzeugt - ein surreales Bild an der Grenze zwischen Natürlichkeit und Technik. Das öffentliche Kunstwerk "Haug Regenbogenskulptur" ist das Ergebnis einer dreijährigen Entwicklungsphase, in der Handwerk und Technologie miteinander vereint wurden.

Nachdem Sie den Regenbogen bewundert haben oder an einem wolkenverhangenen Morgen lediglich die Bronzeskulptur auf der Uferpromenade betrachten konnten, ist es nun Zeit für ein ausgiebiges, vielleicht zweites Frühstück, das Sie am Buffet des 1991 erbauten Parkhotel-Restaurants in einem Ambiente im Stil der achtziger Jahre genießen. Stöbern Sie ein wenig in den lokalen und internationalen Zeitungen, gehen Sie Ihre Fotos von der Route für Historiker*innen durch und machen Sie einen Spaziergang durch das Pforzheimer Stadtzentrum, um eine letzte Ausstellung zu besuchen.

Zum Abschluss der Historiker*innen Route, noch der Hinweis auf eine Gruppenausstellung mit historischen und zeitgenössischen Werken, die auf das Thema "Inhalatorium" von Ornamenta reagieren, realisiert vom Stadtmuseum Pforzheim. Diese Ausstellung finden Sie in der Pforzheim Galerie im historischen Gebäude von Kollmar & Jourdan, einer ehemaligen Schmuckproduktion. In der Ausstellung mit dem Titel "Frischluftkultur" begegnen Sie dem Kurtourismus in der Vergangenheit und Gegenwart, dargestellt mit Werken aus der Sammlung zeitgenössischer Kunst der Stadt Pforzheim und dem Archiv der Stadt Pforzheim. Wenn Sie Ihr Auto abgeholt haben, können Sie auf der Heimreise am ZKM, dem Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe, noch einen Stop machen